Was haltet ihr vom 'Gendering' (speziell im deutschen Sprachgebrauch)?
Wikipedia definiert 'Gendering' in der deutschen Sprache folgendermaßen:
In der Linguistik bezeichnet Gendering die Bestrebung, die Gleichstellung aller Geschlechter in der Sprache zu etablieren und Sexismus entgegenzuwirken, indem Texte in einer möglichst geschlechtsneutralen oder Gender-inkludierenden Form verfasst werden. Die beiden Haupttechniken sind die Sichtbarmachung beider Geschlechter durch Beidnennung sowie die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen.
Einige Beispiele:
In den Medien fallen mir die immer häufigere Benennung beider Geschlechter (Studentinnen und Studenten) bzw. Schreibweisen mit 'Binnen-I' (StudentInnen; teilweise kombiniert mit dem 'Gendergap': Student_innen) oder dem Asterix ähm Asterisk (Student*innen) auf.
Abgesehen davon wird häufig auf geschlechtsneutrale Alternativen, z. B. die Partizip-Konstruktion "Studierende", zurückgegriffen (wobei man beachten sollte, dass ein Student genau genommen nur in den Momenten ein Studierender ist, in denen er tatsächlich gerade studiert, statt beispielsweise zu schlafen oder essen). Andere Beispiele für solche Substitutionen sind:
- Polizisten und Polizistinnen → Polizei
- Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen → Feuerwehrleute
- Lehrer und Lehrerinnen → Lehrkräfte bzw. Lehrkörper
- Leser und Leserinnen → Lesende (das Substantiv wird zum substantiviert-personifizierten Partizip; wem's gefällt ...)
Wenn ihr Lust habt, sucht nach weiteren solchen Umschreibungen und füllt damit den Kommentarbereich. :)
Der Präsident der hiesigen Universität begrüßte die Empfänger einer seiner Rundmails übrigens folgendermaßen:
"Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Studierende, ..."
Im weiteren Text (der dann irgendwann endlich begann) ging es um Maßnahmen zur Verbesserung der internen Kommunikation, wozu unter anderem eine "Campusweite, genderkonforme Sprachregelung" gehöre ...
'Gendering' ist gut gemeint ...
'Gendering' ist dem Wunsch nach Gleichstellung und -berechtigung der Geschlechter entsprungen, ein Ziel, welches prinzipiell sicherlich erstrebenswert ist, zumal viele der heute in Europa selbstverständlich erscheinenden Frauenrechte hart erkämpft werden mussten (einige Beispiele nannte ich in meinem vor längerer Zeit verfassten Artikel zur Frauenquote).
So wie ich mich allerdings in erwähntem Post letztlich gegen Frauen- (und auch sonstige) Quoten aussprach, lehne ich im Rahmen meines eigenen Sprachgebrauchs auch jede Form des 'Genderings' ab, was selbstverständlich niemandes Freiheit, nach Belieben zu 'gendern', tangiert.
... aber aus meiner Sicht nicht praktikabel!
Ich 'gendere' aus rein pragmatischen Gründen nicht, weil sich dadurch sowohl Schreib- als auch Sprech- und Leseaufwand erhöhten und sich meinem subjektiven Empfinden nach Ästhetik, Lesbar- und Verständlichkeit von Texten verringerten. Warum sollte ich sie mittels unnötiger Redundanzen aufblähen?
"Redundanzen? Gibt es denn keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Sind es Frauen nicht wert, ebenfalls genannt zu werden?"
Nun, in den meisten Fällen geht es um von Menschen, die wir doch alle letztlich sind, :) ausgeübte Tätigkeiten (studieren, lesen, Verbrecher dingfest machen, ...). Warum sollte es so wichtig sein, stets das Geschlecht zu betonen, als sei es unser einziges Merkmal? Genauso gut wie eine Frau könnte doch z. B. auch jemand Rothaariges Wert darauf legen, diese, seine Eigenschaft stets erwähnt zu wissen, also in etwa so:
"Rot-, braun-, schwarzhaarige, blonde und kahlköpfige(!) Polizistinnen und Polizisten verfolgten den Verbrecher."
Dies ließe sich konsequenterweise dann auf beliebig viele weitere Merkmale (Größe, Körperform, Augen- & Hautfarbe, ...) ausdehnen.
"Aber @jaki01, das Geschlecht ist doch ein weitaus wichtigeres Merkmal als alle anderen und sollte entprechend stets gewürdigt werden! Vor allem jedoch besteht kein Grund für die Bevorzugung der männlichen Form!"
"Nun gut, so ihr darauf besteht ..., aber wer sagt, dass das Genus eines Substantivs in der deutschen Sprache überhaupt Rückschlüsse auf das biologische Geschlecht zulässt? Ist das Mädchen etwa nicht weiblich? Und sollte im Sinne absoluter 'Sprachgerechtigkeit' dann nicht auch Männern die Ableitung der Personalpronomen für höfliche Anrede und dritte Person Plural von der weiblichen Form (sie) unfair erscheinen?
Könnte man sich nicht einfach darauf einigen, beispielsweise den Begriff 'Polizisten' geschlechtsneutral, im Sinne des 'generischen Maskulinums', schlicht für alle die entsprechende Tätigkeit ausübenden Menschen zu verwenden, ohne damit etwas über ihr Geschlecht auszusagen (also zugleich Männer und Frauen zu inkludieren)? In den seltenen Fällen, in denen es eine Rolle spielt, wäre es ein Leichtes, den allgemeinen Term mittels 'männliche/weibliche Polizisten' zu präzisieren."
Konsequent wäre m. E. letztlich die Abschaffung der Artikel 'der', 'die' und 'das' durch einen einzigen, geschlechtsneutralen, wie im Englischen! Dann entfiele z. B. das Problem des möglicherweise Irritationen verursachenden Artikels 'der' vor 'Lehrer' im Falle einer weiblichen Lehrkraft (eines weiblichen Lehrers, wie ich stattdessen vorschlage).
Wie wollen übrigens die Befürworter des 'Gendering' dem 'dritten Geschlecht' im deutschen Sprachgebrauch die ihm zustehende Beachtung verschaffen?
Wie wär's mit einer Anti-Gendering-Browser-Erweiterung?
Sich überhaupt nicht mit dem 'Binnen-I' anfreunden zu können, ist übrigens kein Grund zur Verzweiflung: "Binnen-I be gone ist eine Browser-Erweiterung mit dem Zweck, Binnen-Is aus Webseiten herauszufiltern und so für eine bessere Lesbarkeit zu sorgen." :-)